Fast jeder Hörgeräteträger hat schon mal das Wort Okklusionseffekt gehört. Vermutlich haben viele davon auch schon mehrfach diese Okklusion zu spüren bekommen. Wir erklären Ihnen was es mit dem Okklusionseffekt auf sich hat und wie man ihn umgehen kann.
Nützliches: Der Okklusionseffekt wird auf als Verschlusseffekt bezeichnet.
Finger in die Ohren!
Stecken Sie sich doch mal beide Zeigefinger links und rechts in die Ohren. Sprechen Sie nun ein paar Wörter. Hört sich Ihre Stimme anders an, als Sie es gewöhnt sind? Glückwunsch, jetzt kennen Sie den Okklusionseffekt!
Die Stimme klingt mit mal viel dumpfer und voluminöser als vorher. Betroffene finden, es klingt, als spreche man in ein leeres Fass.
Noch deutlicher wird der Effekt, wenn man anfängt ein langgezogenes “iiiii” auszusprechen und steckt sich dabei die Finger in die Ohren. Aus einem deutlichen “iiiii” wird ein regelrechtes Brummen oder Vibrieren.1 Aber warum?
Knochenschall und Luftschall
Unsere eigene Stimme setzt sich zusammen aus dem Knochenschall, den wir beim Sprechen über Vibrationen erzeugen und einem Luftschall, den wir aussprechen. Ungefähr 90% des Knochenschalls, den wir beim Sprechen erzeugen, wird aber gar nicht von unserem Trommelfell aufgenommen. Er fließt quasi aus unserem Ohr heraus ohne verarbeitet zu werden. Natürlich hören wir aber trotzdem die gesprochenen Wörter, die aus unserem Mund kommen. Das, was wir hören, ist also Gemisch aus Knochen- und Luftschall. Das unsere ganz persönliche Stimme wie wir sie kennen.
Schalten Sie das Mikrofon mal ein
Haben Sie schon mal Ihre eigenen Sprachnachrichten angehört oder sich auf einem Video sprechen gehört? Plötzlich klingt unsere Stimme viel dünner und weniger basslastig, als wir sie gewohnt sind. So wie uns alle anderen Menschen auf der Welt hören können, finden wir es ungewohnt. Das liegt daran, dass die anderen Menschen, und auch das Mikrofon mit dem unsere Stimme aufgenommen wurde, den Knochenschall nicht mit aufnimmt. Alle anderen hören also den von uns produzierten Luftschall und keinen Knochenschall.
Okklusion ist das Gegenteil einer Aufnahme
Das genaue Gegenteil dieser Mikrofonaufnahme ist der Okklusionseffekt. Während alle anderen nur den Luftschall hören, gelangt nur der Knochenschall in unser Ohr. Dies passiert dann, wenn wir unsere Ohren mit einem Gegenstand verschließen. Im gerade durchgeführten Selbstversuch waren es die Zeigefinger. Sonst hören wir immer den Luft-Knochenschall. Stecken wir die Finger in die Ohren, hören wir nur noch den Knochenschall. Und der war bekanntlich viel voluminöser und basslastiger. Eben der Anteil, der uns bei der Mikrofonaufnahme gefehlt hat. Jetzt wiederum fehlt uns der Luftanteil und wir nehmen nur noch brummende Geräusche wahr und das ist auch nicht so angenehm.
Die IdO-Krise
Um 2010 herum haben einige Hersteller ihre Produktion an IdO-Hörgeräten massiv ausgebaut. Sie sollten für ein junges zahlungsfreudiges entwickelt werden und stießen dabei nur auf durchwachsene Gegenliebe. Viele Kunden bemängelten, dass ihre Ohren komplett abgedichtet werden und somit die eigene Stimme komisch wahrgenommen würde. Der externe Schall wird zwar prima verstärkt und man sieht das IdO-Gerät nicht, aber die eigene Stimme sollte schon angenehm klingen. Als Folge dessen haben viele Kunden auf eines der kleinen HdO-Hörgeräte gesetzt, die ein offene Ohrstück haben, eine Rückkopplungsunterdrückung und viele andere Dinge mehr.
Was ist die Lösung des Problems?
Die Lösung des Problems ist herrlich einfach. Zumindest in den meisten Fällen. Der Verschlusseffekt wird natürlich umgangen, indem man das Ohr nicht mehr verschließt.
Wenn ein IdO-Hörgerät im Ohr sitzt, ist es verschlossen. Wenn man ein Loch durch das Hörgerät bohrt, sodass kein 100%-iger Verschluss mehr vorhanden ist, kann das schon die Lösung sein.
Die Bohrungen sind dabei winzig: 0,8-1,2 Millimeter reichen meist schon aus, um den Betroffenen zu helfen.
Diese Bohrung hilf dabei den Körperschall aus dem Ohr entweichen und gleichzeitig den fehlenden Luftschall in das Ohr eindringen zu lassen.
Ebenfalls können sogenannte FlexVents Abhilfe schaffen. Dies sind kleine Öffnungen, die je nach Bedarf in Länge und Durchmesser angepasst werden können.
Bohren – Hilfreich oder nicht hilfreich?
In den meisten Fällen ist eine Bohrung hilfreich, da der Schallausgleich über die Bohrung stattfinden kann.
Es gibt jedoch auch spezielle Fälle wie die Tieftonschwerhörigkeit oder breitrandige Hörverluste. Bei der Tieftonschwerhörigkeit würden die Tieftöne zum größten Teil durch eine Öffnung aus dem Gehörgang entweichen, wodurch die Verstärkung im Grunde verschwindet. 1
Heutzutage kann man je nach Beschaffenheit des Ohres auch IdO-Hörgeräte finden, die offen sind. Voraussetzung dafür ist ein großer Gehörgang, der dies auch erlaubt. Für kleine Gehörgänge bietet sich eine Bohrung an, die den Okklusionseffekt reduziert. Ist das Volumen des Gehörgangs übermäßig groß, spricht man auch vom sogenannten Trompetenohr. Hier ist kann eine Bohrung mitunter sogar eine größere Okklusion hervorrufen.
Je tiefer, umso besser
Das gilt nicht allgemein für IdO-Hörgeräte. Was die Okklusion angeht, so kann man das aber schon behaupten. Tiefsitzende IIC-Geräte wirken dem Okklusionseffekt entgegen, da sie im Gehörgangsabschnitt hinter dem Ansatz des Unterkiefergelenks sitzen. Dieses Gelenk ist maßgeblich für die Übertragung des Körperschalls in den Gehörgang verantwortlich.1
Quellen:
1. Otoplastiken – Eine zyklische Wiederkehr der Gedanken. Okklusionseffekt und Vermeidungsstrategien. Erschienen in: Audio infos no. 123. Juli 2011. Link: https://www.detax.de/de-wAssets/docs/de/pressecenter-audio/Fachartikel/Audio-Info-Okklusionseffekt.pdf
2. https://placing-you.de/blog/post/okklusion-oder-autophonie
3. Der “Occlusion Effect”, Hearing Loss, 2004 Nr. 1.
4. http://www.uzh.ch/orl/dga2004/programm/wissprogramm/Kiessling__J…_-Okklusion-.pdf
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