Hörgerät oder Hörverstärker – Die Unterschiede

Daumen hoch oder Daumen runter?

Wer im Internet schon mal nach Hörgeräten gesucht hat, ist dabei bestimmt auch über Hörverstärker gestolpert. Auf den ersten Blick sind die Unterschiede gar nicht so groß. Beim Blick auf den Preis muss man sich aber Fragen warum ein Hörgerät meist mehr als 1000 Euro kostet, der Hörverstärker hingegen nur rund 20 bis 100 Euro. Wir erklären Ihnen die Unterschiede und wem die jeweiligen Geräte weiterhelfen.

High-Tech gegen Low-Tech

Hörgeräte sind kleine Technikwunder, in denen mehr steckt als man vermutet. Sie beinhalten Prozessoren, Mikrochips, Software und Platinen, die es ermöglichen quasi in Echtzeit die Umgebungsgeräusche zu untersuchen. Das ist wirklich High-Tech, denn in dem Moment, in dem ein Geräusch ertönt, hat das Hörgerät es aufgenommen, analysiert, passend umgewandelt und in der optimalen Lautstärke für uns wiedergegeben. Eine Verzögerung nehmen wir gar nicht wahr. Das hat natürlich seinen Preis. Kassengeräte gibt es zum Nulltarif, wohingegen die Preisspanne nach oben hin offen ist und mehrere tausend Euro umfassen kann.
Hörverstärker sind hingegen wenig innovativ. Sie bestehen zwar ebenfalls aus einem oder mehreren Mikrofonen und einem Lautsprecher, viel analysieren tun sie jedoch nicht. Optisch ähneln sie sehr den klassischen HdO-Hörgeräten, beinhalten aber nur einen Bruchteil ihrer Fähigkeiten.

Ein Hörverstärker: Sichtbare Schrauben, viele externe Schalter, große Spalten für Staub und Feuchtigkeit

Außen Hui, innen Pfui!

Man kann zwar nicht direkt sagen, dass ein Hörverstärker von außen super aussieht. Es gibt jedoch in vielen Fällen sehr große Ähnlichkeiten mit herkömmlichen Hörgeräten. An einem Trabbi erkennt man bspw. auch die Grundidee, dass er der Fortbewegung dient. Zieht man jedoch Material, Finesse, Sicherheit, Komfort, Geschwindigkeit und andere Aspekte zum Vergleich heran, passt er noch irgendwie in die Kategorie PKW, hat aber mit den Autos, die wir fahren, nichts mehr zu tun.
Hörverstärker erhalten Sie hauptsächlich in dem klassischen beige, welches man von alten Hörgeräten kennt und eher an das Material einer Barbie-Puppe erinnert. An ihm befinden sich sichtbar kleine Schrauben und Spalten, an den Stellen, wo die Einzelteile zusammengesetzt wurden. Meistens gibt es dann noch ein kleines Rädchen zum Verstellen der Lautstärke und einen Ein-/Ausschalter. Dann noch einen Verbindungsschlauch, der zum Ohrstück führt und den Ton transportiert. Fertig ist der Hörverstärker. Laien könnten ihn also für ein Hörgerät halten, die Leistung ist jedoch eher auf Niveau des Trabbis, wohingegen alle anderen Hörgeschädigten mindestens BMW fahren.

Das macht der Hörverstärker

Der Hörverstärker macht nicht einmal das, was sein Name verspricht. Er müsste streng genommen Tonverstärker heißen. Das Hören verstärkt er nämlich nicht. Alle Geräusche, die von seinen Mikrofonen aufgenommen werden, werden gebündelt und durch den Hörschlauch verstärkt und somit lauter im Gehörgang abgespielt. Jetzt könnte man denken, dass genau das der selbe Sinn und Zweck eines teuren Hörgerätes ist, aber das ist zu kurz gedacht. Jeder Hörgeschädigte hat eine unterschiedliche Hörschädigung in verschiedenen Frequenzbereichen. Ein Betroffener versteht z.B. leise Töne nicht mehr so gut, ist aber sehr sensibel, was laute schrille Geräusche angeht. Ein Hörgerät erfasst diese Unterschiede und verstärkt dann nur die Bereiche, in denen der Betroffene geschwächt ist. Der Hörverstärker macht hier keine Unterschiede. Es wird einfach alles eine Stufe lauter abgespielt. Die leisen Töne kommen nun auch etwas besser an. Allerdings auch der Wind der nebenbei weht, die Alarmanlage, die man sowieso in normaler Lautstärke hört, oder das Bremsen einer Eisenbahn, das einem die Ohren klingeln lässt. Nicht so schön, oder?

Wer braucht einen Hörverstärker?

Einen Hörverstärker können Menschen benutzen, die noch keine wirkliche Hörschwäche haben, aber leise Geräusche wahrnehmen möchten. Wer sich bspw. einen Vortrag ohne Mikrofon anhört und in der letzten Reihe sitzt, könnte so mehr verstehen. Jemand, der sich oft mit einem Freund in ruhiger Atmosphäre trifft, aber der Freund spricht trotzdem so leise, als würde er flüstern. In Jägerkreisen werden Hörverstärker aber auch gern eingesetzt. Wenn der Jäger in seinem Hochstand sitzt, es flüsterleise im Wald ist und er jedes potenzielle Anschleichen des Jagdwildes mitbekommen möchte. Bevor er einen Schuss absetzt, sollte er den Verstärker allerdings ausschalten, sonst riskiert er einen gravierenden Hörschaden.

Warum es keinen Sinn ergibt

Wenn Sie einen Hörschaden haben, können Sie sich von Ihrem HNO-Arzt eine Hörverordnung holen. Damit bekommen Sie zumindest ein Kassengerät zum Nulltarif. Und hier sprechen wir explizit von Hörgeräten und nicht Hörverstärkern. Wenn Sie noch mehr Qualität wollen, aber nicht mehr ausgeben möchten, können Sie überlegen, ob der online-Kauf eines Hörgerätes etwas für Sie ist. Die Modelle sind oftmals hochwertiger als Kassengeräte beim Akustiker vor Ort. Die persönliche Betreuung finde dann per Telefon statt, wesentliche Nachteile haben Sie dadurch allerdings nicht. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Es gibt also keinen Grund an dieser Stelle 20 Euro für einen Hörverstärker auszugeben, wenn ein medizinisches Produkt von Ihrer Krankenkasse finanziert wird. Und hier kommen wir zum nächsten kritischen Punkt.

Weiterer Schaden für die Ohren

Hörgeräte müssen von Fachpersonal eingestellt werden. Sie gelten als medizinisches Heilmittel und unterliegen daher besonderen Richtlinien, Prüfungen und Zertifizierungen. All das gilt für Hörverstärker nicht! Mitunter kommt es vor, dass Sie beim Kauf einen billigen Hersteller aus dem Ausland erwischen. Es werden also Töne direkt in Ihrem Gehörgang verstärkt. Und das von einem Produkt, das keine Prüfstelle durchlaufen musste und somit größte Schäden für den Rest Ihres Lebens hervorrufen könnte. Ein zu lauter Ton durch einen Gerätefehler und Sie leiden für immer unter einem Tinnitus. Die Gefahr ist eindeutig zu groß.

Zusammengefasst:

1. Hörverstärker werden online ab 12 Euro angeboten. Das erste Signal!
2. Sie sehen HdO-Hörgeräten zum verwechseln ähnlich
3. Die Technologie verstärkt jedes Geräusch im gleichen Maße
4. Bei Hörschäden therapieren Hörverstärker auf keinen Fall!
5. Suchen Sie bei Hörverlust immer einen HNO-Arzt auf
6. Hörverstärker sind nur für eine sehr kleine spezielle Zielgruppe geeignet
7. Hörverstärker können langfristig gravierende Schäden Ihres Gehörs verursachen!
8. Wer ein Hörgerät braucht, bekommt dies von der Krankenkasse finanziert.
9. Finger weg von Hörverstärkern!

Zusätzliche Quellen:
1. https://unbeschwert-hoeren.de/hoergeraete/hoerverstaerker/

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